Özdemir für Junkfood-Werbeverbot: Kindersicherung für Süßkram
Ernährungsminister Cem Özdemir will Junkfood-Werbung für unter 14-Jährige verbieten. Das Verbot soll täglich von 6 bis 23 Uhr gelten, so der Grüne.
Entsprechend will er Werbung einstufen, „wenn sie zwischen 6 und 23 Uhr betrieben und damit bewusst in Kauf genommen wird, dass sie regelmäßig insbesondere auch von Kindern wahrgenommen wird“. Denn hauptsächlich dann würden Kinder laut Studien fernsehen. Etwa in Zeitschriften soll solche Werbung verboten werden, falls sie zum Beispiel „Kinder als Darsteller“ oder Produktaufmachungen mit wegen der Farben und Motiven „sehr kindlichen Darstellungen“ nutzt, ergänzte Eva Bell, zuständige Abteilungsleiterin des Ministeriums.
Mit den Werbeverboten will Özdemir gegen Fehlernährung vorgehen. Sie trägt dazu bei, dass laut Robert-Koch-Institut 15 Prozent der 3- bis 17-Jährigen übergewichtig sind. Durch falsche Ernährung mitbedingte Krankheiten wie Bluthochdruck, Typ-2-Diabetes oder Herzinfarkt nehmen auch in Deutschland zu. „Im Kindesalter wird das Ernährungsverhalten für das weitere Leben entscheidend geprägt. Lebensmittelwerbung hat hier einen nachhaltigen Einfluss bei Kindern“, so Özdemir.
Bisherige freiwillige Selbstverpflichtungen der Unternehmen hätten nicht dazu geführt, dass Kinder effektiv vor solcher Werbung geschützt werden. Kinder, die Medien nutzen, sähen täglich im Schnitt 15 Werbespots oder -anzeigen für Lebensmittel mit hohem Zucker-, Fett- oder Salzgehalt.
Fast nur Werbung für Fast Food, Snacks oder Süßigkeiten
Durchschnittlich 92 Prozent der Lebensmittelwerbung, die Kinder in Internet und Fernsehen wahrnehmen, sei für Produkte wie Fast Food, Snacks oder Süßigkeiten. Von den Verboten erfasst werden sollen laut Özdemir, Fernsehen, Hörfunk, gedruckte Medien und Internetseiten inklusive sozialen Netzwerken. Auch Außenwerbung beispielsweise auf Plakaten wäre tabu, wenn sie mit Kindermotiven arbeitet oder im Umkreis von 100 Metern beispielsweise zu Schulen, Kindergärten oder Spielplätzen zu sehen ist.
Betroffen sind nur die Lebensmittel, die das Ministerium als zu fettig, zuckerig und salzig einstuft. Dabei will es sich nach eigenen Angaben an den Nährwertprofilen der Weltgesundheitsorganisation WHO orientieren. Sie gibt für 17 Kategorien Obergrenzen für diese Inhaltsstoffe vor. Bei Frühstückscerealien etwa wären laut Bell nicht mehr als 15 Prozent Zucker, 10 Prozent Fett 1,6 Prozent Salz erlaubt. Bei Milch und Säften dagegen wolle man von den WHO-Grenzen abweichen, sagte Bell der taz.
Beifall von den Verbänden
Lob für die Pläne kam von der Vizepräsidentin der Deutschen Gesellschaft für Kinder und Jugendmedizin, Ursula Felderhoff-Müser: Kinder- und Jugendärztinnen und -ärzten, wissenschaftliche Fachgesellschaften und Verbraucherorganisationen forderten eine solche Regelung bereits seit Jahren, denn die Wirksamkeit von an Kinder gerichteter Werbung sei gut belegt.
Die Deutsche Adipositas-Gesellschaft erklärte, Özdemir sei „ein großer Wurf gelungen“. Adipositas bei Kindern stelle ein zentrales Gesundheitsproblem dar und die Werbung für Ungesundes sei dafür ein wichtiger Faktor.
Die Deutsche Allianz Nichtübertragbare Krankheiten (DANK), Foodwatch, der Verbraucherzentrale Bundesverband und der WWF sprachen allesamt von einem „Meilenstein“ im Kampf gegen Übergewicht und für die Kindergesundheit. Wissenschaftliche Untersuchungen hätten gezeigt, dass viele der beliebtesten Sendungen bei Kindern unter 14 Jahren keine Cartoons seien, sondern Familienshows und Fußballübertragungen, erklärte DANK-Sprecherin Barbara Bitzer. „Eine Werbebeschränkung light, die nur im Umfeld klassischer Kindersendungen greift, wäre zum Scheitern verurteilt.“ Sie appellierte an die Koalitionspartner SPD und FDP, „diesen aus wissenschaftlicher Sicht richtigen und wichtigen Vorschlag des Ministers zu unterstützen“.
Özdemir sagte, er werde nun die Ressortabstimmung einleiten und rechne durchaus mit „Widerstand“. Der agrarpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Gero Hocker, kündigte umgehend an, innerhalb der Ampelkoalition werde der Grünen-Politiker „keine Mehrheit finden“. Özdemir verfolge scheinbar das Ziel, „aus jedem unmündigen Kind einen unmündigen Bürger werden zu lassen“.
Auch SPD-Chefin Saskia Esken zeigte sich zunächst zurückhaltend. Werbung dürfe, was die gesundheitlichen Auswirkungen beworbener Produkte angeht, nicht „irreführend“ sein, sagte sie. Aber „Kinder vor ungesunden Lebensmitteln schützen, das müssen, glaube ich, immer noch die Eltern tun.“ (mit afp)
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